Zurück zur Textliste.

Der Zeitlose Bahnhof

2013

Wenn man hier sitzt. Am Bahnhof. Mit einem Kaffee. Einem dunklen, schwarzen Kaffee. Wenn man hier also am Bahnhof sitzt mit seinem Kaffee, dann vergeht die Zeit wie im Fluge. Dann kommt es vor, dass sich Eine zu Einer setzt. Eine setzt sich, die andere saß sich davor, so setzt sie sich dazu. Zum Kaffee — dazu. Da sitzt man also beim Kaffee und es kommt vor, dass man über seine Definierbarkeit philosophiert. Die eigene und die des Kaffees. Es kommt vor, dass die Zeiten schlecht sind und die Reisenden den Kaffee nicht mögen, denn es ist ein schlechter Kaffee zu einer schlechten Zeit. Dann sind es die todbringenden Tabletten. Die garstigen, aber süßlich lockenden, Tabletten, die dem bitteren Kaffee vorgezogen werden.

Ein Stückchen Zucker kann soviel bewirken. Oder ein Schuss Milch. Oder ein gutes Wort. So rührt man in seinem Kaffee und die Zeit vergeht wie im Fluge und der Andere, der dazu sich gesellte muss bald gehen, denn sein Zug der flog bald davon. Zu einer anderen Zeit. Einem anderen Bahnhof vielleicht. Und die eigene Bahn? Nein, die kommt nicht. Auch wenn ein Bahnhof der Ort des Aufbruchs ist, so ist er doch auch der Ort der Ankunft. Man hält also kurz inne beim Rühren und betrachtet den kleinen silbrigen Löffel und fragt sich, ob es nur die Spiegelung der Realität ist, die sich in ihm verbiegt. Man fragt, ob man sich selbst nicht viel zu oft verbogen hat oder nur noch nicht genug. Dann möchte man Uri Geller sein. Den kleinen, silbrigen Löffel zwischen Daumen und Zeigefinger balancierend schaut man durch ihn hindurch in die Vergangenheit. Und die Zukunft. Und über Einem schießen die Züge aus ihren Gleisen. Katapultieren sich über die Rampen, um in einem gleißenden Sog zu verschwinden. Denn dieser Bahnhof ist kein gewohnter Bahnhof. Kein linearer Bahnhof, so wie man es gewohnt ist. Er bricht mit dem Kontinuum. Die Zeiger der Uhren drehen sich in beiderlei Richtung. Und sie drehen sich schnell.

Dann kommt es vor, dass sich Einer zu Einem setzt. Einer setzt sich, der andere saß sich davor, so setzt er sich dazu. Zum Kaffee — dazu. Da sitzt man also beim Kaffee und es kommt vor, dass man über seine Definierbarkeit philosophiert. Die eigene und die des Kaffees. Es kommt vor, dass die Zeiten sich ändern und die Reisenden den Kaffee nicht mögen, denn es ist ein kalter Kaffee zu einer heißen Zeit. Dann freut man sich auf einen heißen Tee. Nur der Kaiser nicht — er mag kein' Tee. Zumindest nicht hitzig. Auch die Zeiten mag er nicht.

Ein Löffelchen Honig kann soviel bewirken. Oder ein Schuss Milch. Oder ein gutes Lied. So summt man es vor sich her, während man in seinem Kaffee rührt und die Zeit vergeht wie im Fluge und die Andere, die dazu sich gesellte muss bald gehen, denn ihr Zug der flog bald davon. Zu einer anderen Zeit. Einem anderen Bahnhof vielleicht. Und die eigene Bahn? Vielleicht steht sie schon dort oben auf einem der Gleise und wartet schnaufend. Vielleicht müsste man nur hinaufgehen und schauen und einsteigen und die Türen schließen selbsttätig und der nächste Halt steht auch schon fest. Aber man zuckt nur staunend mit den Schultern: »Wie soll ich denn schauen? Eine Bahnsteigkarte habe ich nicht.« Und die Menschen surren geschäftig um einen herum und vorbei wie die Bienen. Und über Einem schießen die Züge aus ihren Gleisen. Katapultieren sich über die Rampen, um in einem lichten Tor zu den Dimensionen zu verschwinden. Den anderen, unbekannten Dimensionen. Denn dieser Bahnhof ist kein gewohnter Bahnhof. Kein linearer Bahnhof, so wie man es gewohnt ist. Die Anzeigen über den Gleisen zeigen ungeahnte Orte. Und ihre Namen wechseln ständig. Sie heißen »Glückliche Kindheit« und »Urlaub am See«, »Erste Liebe« und »Letzter Kuss«, »Ehrgeiz« und »Falsche Hoffnung«.

Dann kommt es vor, dass sich Eine zu Einem setzt. Einer setzt sich, die andere saß sich davor, so setzt er sich dazu. Oder umgekehrt. Vollkommen willkürlich. Zum Kaffee — dazu. Da sitzt man also beim Kaffee und es kommt vor, dass man über seine Definierbarkeit philosophiert. Die eigene und die des Kaffees. Es kommt vor, dass die Zeiten richtig sind und die Reisenden den Kaffee einfach mögen, denn es ist der richtige Kaffee zu einer guten Zeit. Dann freuen sie sich über den Kaffee und sind redselig und tauschen sich aus. Dann möchten sie, dass dieser Moment nie vergeht und das tut er auch nicht. Die Menschen vergehen. Der Moment bleibt. Und man freut sich, wenn man hier sitzt. In seinem Zeitreisebahnhof sitzt. Mit einem Kaffee. Einem dunklen, schwarzen Kaffee. Wenn man hier also in seinem Zeitreisebahnhof sitzt mit einem Kaffee und zurück reist zu diesen besonderen Momenten. Mit einem silbrigen Löffel in ihnen schwelgend zu rühren und die Lieder zu summen, die sie begleitet haben.

♹ Ende
Jedes Ende ist auch ein Anfang sagt man und es gibt nichts, das man ewig haben kann.